Eltern erschrecken dann und fragen sich voll Angst: Wo hat es das Kind bloß dieses aggressive Verhalten gelernt, warum tut es das?
Was steckt hinter hauen, beißen, kratzen & Co bei Kleinkindern?
Beim Hauen sind das oft ungelenke Zärtlichkeiten. Die körperliche Entwicklung verläuft „von oben nach unten und von innen nach außen“. Das heißt, die Beherrschung des Schultergelenks erfolgt früher als die von Ellbogen, Handgelenk und Fingern.Und jetzt versuch mal eine Katze zu streicheln, wenn du das Schultergelenk nicht vollkommen unter Kontrolle hast – da wird schnell ein „Hinhauen“ draus, das aber keinesfalls aggressiv gemeint ist.
Hilfreich ist, dem Kind die Hand zu führen (wenn es ums Katze streicheln geht!). Üben und Abwarten heißt die Devise – und Verständnis für die Katze haben, wenn sie grad mal keine Geduld fürs Üben hat.
Manche Kinder versuchen auch über den körperlichen „Angriff“ mit anderen in Kontakt zu kommen. Es fehlt einfach noch die Idee, dass man auch Hingehen und nach dem Zusammen-Spielen fragen könnte (und meist fehlt in dem Alter auch noch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit!). Dann gilt es dem Kind, Alternativen zur Kontaktaufnahme zu zeigen. „Wollen wir gemeinsam zum …. gehen und schauen, ob ihr zusammen spielen könnt?“
Aber der Grund Nr. 1, wenn das Kind aggressiv wird, ist ..
Das Kind kann seine Gefühle noch nicht anders ausdrücken
Und das Gefühl hinter der Aggressivität ist meist Wut, die aus einer Frustration kommt.- Der Turm aus Bausteinen ist zusammengestürzt
- beim Abendessen steht der gelbe Becher auf dem Tisch statt des blauen
- Das Keks darf nicht jetzt gegessen werden
- Der Flummi ist verloren gegangen
- Ein anderes Kind will jetzt mit dem roten Schauferl spielen
- ….
Dafür braucht es auch kein Vorbild, dieser Impuls kommt von innen! Kinder hauen nicht, weil sie das zu Hause gesehen haben – das sind eher ungestüme körperliche Reaktionen. Nochmal zur Wiederholung: ich spreche hier von Kleinkindern etwa im zweiten oder dritten Lebensjahr!

Kleiner Exkurs:
Erwachsene verwenden in solchen Situationen dann gerne Schimpfwörter (selbstverständlich nicht vor den Kindern ;-)) – aber zugegeben, es erleichtert, oder?Kinder fehlt diese erleichternde Möglichkeit und wenn sie schon passende Worte kennen würden, dürften sie sie nicht verwenden …
Das kleine Wörtchen "NEIN" ist übrigens auch ein potentieller Auslöser für einen Wutanfall, gerne begleitet von körperlichem Ausleben. Nicht jedes Nein ist aber im Alltag notwendig, hol dir hier das Mini-Poster "3 Alternativen zum NEIN-Sagen" und reduziere damit die Wahrscheinlichkeit von Wutanfällen
Wie reagierst du nun sinnvoll, wenn dein Kleinkind haut und beißt?
Indem du eine zweiteilige Botschaft sendest:Teil 1: „Stop“ – Gewalt in welcher Form auch immer ist nicht ok, das tut dem anderen weh!
Teil 2: Verständnis – nicht für die Gewalt, aber für das Gefühl, das das Verhalten ausgelöst hat – „ich sehe, du bist wütendl …“
Wenn Du weißt, was die Wut ausgelöst hat, kannst du noch z.B. „weil du jetzt auch mit dem roten Auto spielen möchtest“ hinzufügen.
Meist ist aber schon das reine Benennen des Gefühls hilfreich, weil das Kind sich verstanden und als Person angenommen fühlt, auch wenn sein Verhalten grade nicht ok war. Was du am besten machst, wenn noch andere Kinder betroffen sind, wird das Thema eines eigenen Blogartikels nächste Woche werden.
Und dann gilt es, dem Kind alternative Verhaltensweisen aufzuzeigen – ihm Ideen geben, was sonst außer Hauen etc. kann es noch tun, wenn es plötzlich wütend wird. Sind fremde Kinder im Spiel, wirst du auch überlegen, ob du eingreifst oder nicht.
Mehr zu dem Thema kannst du in Wenn mein Kind andere Kinder haut, kratzt, beißt, an den Haaren zieht nachlesen.
Was tun, wenn das Kind haut und lacht?
In dem Fall ist es wichtig zu verstehen, dass das Kind jetzt nicht über dich lacht oder gar nach dem aggressiven Verhalten lacht, um dir eins auszuwischen oder dich zu provozieren! Kleinkinder können sich noch nicht in jemand anderen hineinversetzen und sich vorstellen, wie der sich fühlen würde, was ihnen Provokation verunmöglicht.Dieses Grinsen ist nicht frech, sondern eher das Angebot einer Entschuldigung - ein "Simma-wieder-gut-Lächeln"
Wie kannst du deinem Kind helfen, seine Wut in sozial angemessene Bahnen zu lenken?
Akzeptiere und verstehe, dass dein Kind wütend sein darf – Gefühle lassen sich nicht auf Dauer unterdrücken. Probiere eine oder meherere der folgenden Strategien aus – gerne auch in Kombinationen. Ganz wichtig zuallererst:Gib dem Kind Worte für dieses intensive Gefühl!
wie auch immer du es dann nennen willst: Ärgerlich – wütend – stinksauer – zornig - …
Sobald das Kind ein Wort dafür hat und es aussprechen kann, ist ein erstes kleines Ventil geschaffen, das erleichtert.
Die Wut körperlich abbauen
Das ist grundsätzlich eine wunderbare Variante – wir müssen nur Alternativen finden, wo niemandem weh getan und nichts beschädigt wird.Aufstampfen
ist für mich das simpelste, weil überall durchführbar und nichts weiteres dafür gebraucht wird. Die Wut geht direkt in den Boden – Rumpelstilzchen macht uns das ja sehr schön im Märchen vor ;-)
Boxsack - Wutpolster
In dem Fall ist das Hauen ok – tut ja niemandem weh! Kann auch gut vorbeugend eingesetzt werden.
Ins T-Shirt beißen
Die Variante für die Beißer-Kinder – den Saum vom T-Shirt hochnehmen und dort reinbeißen. Der wichtige Aspekt daran: nicht das Beißen per se muss aufgegeben werden, sondern bloß der Ort des Reinbeißens wird geändert.
Bälle werfen
Für alle Kinder, die bei Wut gerne Dinge durch die Gegend schleudern, lohnt die Anschaffung einiger Schaumstoffbälle. Ist für die Möbel wesentlich schonender als das Werfen mit Holzbausteinen.
Zeitungen zerreißen
Alternativ kannst du auch alte Zeitungen zurechtlegen, die im Bedarfsfall zerrissen und zusammengeknautscht werden. Wirft dein Kind gerne mit Gegenständen? Dann dürfen die Papierbälle natürlich auch durch die Luft fliegen.
Da bleibt nimmer viel Wut über, im Gegenteil das kann ganz schnell zum Familienspaß werden.
Und wenn du danach weniger Aufräumen möchtest: Ziel werfen in einen Kübel!
Wie lernen Kinder solche „Wutabbau-Maßnahmen“?
Am besten bist du deinem Kind ein Vorbild, wenn du ihm auch zeigst, wie du mit deiner Wut und deinem Ärger umgehst. Ja, das ist kein Problem als Mutter auch mal wütend zu sein. Wir sind keine ewig gelassenen Heiligen!Lies auch hier Wie du gut mit kindlicher Wut umgehst – und mit deiner eigenen!
Kinder spüren das sehr gut, wenn wir schon innerlich brodeln, aber äußerlich noch einen auf gelassen und ruhig machen. Wetten, dass dein Kind dann so lange „den Finger in der Wunde“ hat, bis du explodierst?
Also lieber frühzeitig auf zum Wutpolster ;-))
Buchtipps zum Weiterlesen
Kinder dürfen aggressiv sein* von Jan Uwe Rogge - mal eine ganz überraschende Sichtweise in bewährte "Rogge-Manier" beschriebenKleine Gefühlskunde für Eltern* von Vivian Dittmar - schön zu lesen, wie große Gefühle in Kindern entstehen und wie wir ihnen helfen können, damit umzugehen
Für Kinder:
Das kleine Wutmonster
Wohin mit meiner Wut?