Warum du die Finger von Schlafprogrammen lassen sollst
Kaum ist das Baby geboren, wird Schlaf zu einem großen Thema in der jungen Familie.
Babys schlafen erfahrungsgemäß wunderbar, wenn sie müde sind.
In jeder Lage, in jeder Umgebung.
Um den gesunden Babyschlaf müssen wir uns wenig sorgen.
Allerdings schlafen die lieben Kleinen selten zu den elterlichen Schlafzeiten – was wiederum zu viel zu wenig Schlaf bei den Eltern führt und somit zu massiven Stress. Fragen dann noch wohlmeinende Menschen aus der Umgebung die berühmt-berüchtigte Frage „Und – schläft es schon durch?“ ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Eltern dann fragen, wie sie ihrem Baby dann das Schlafen beibringen können.
Und das Internet unterstützt nach erfolgter Suche auf Google auch mit einer Vielzahl an Tipps, Patentrezepten und Schlafprogrammen – kaum je wird die Frage gestellt, ob man Schlafen wirklich lernen kann oder muss …
Was ist ein Schlafprogramm?
Das wohl bekannteste Programm ist das „Ferbern“, das im Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ empfohlen wird. Benannt nach dem Kinderarzt Richard Ferber, im deutschen Sprachraum bekannt gemacht durch Annette Kast-Zahn.
Als Kernpunkt soll dabei das Baby lernen alleine einzuschlafen. Erreicht wird dies dadurch, dass die Eltern das Baby nach dem Abendritual ins Bettchen legen und dann das Zimmer verlassen. Weint das Baby, wird nach genau abgezählten Minutenabständen ins Zimmer gegangen, das Baby getröstet und dann gehen die Eltern wieder hinaus. Das passiert so lange, bis das Baby (endlich) alleine eingeschlafen ist.
Aus Berichten weiß ich, dass sich beim Versuch dieses Programm durchzuführen, wahre Dramen abspielen können. Bis hin zu sich vor lauter Schreien übergebenden Kindern, vom elterlichen Nervenverlust gar nicht zu reden …
Manche Eltern schwören aber auch Stein und Bein, dass es ihnen geholfen hat und überhaupt nicht schwierig war. Da vermute ich allerdings, dass das Kind wahrscheinlich ohnehin die nötigen Entwicklungsschritte schon gemacht hatte und die Eltern einfach einen guten Zeitpunkt erwischt haben.
Selbst in Programmen, die sich deutlich von diesem Buch distanzieren, kommt das Ferbern in Ansätzen immer wieder vor, wenn auch nur in abgeschwächten Formen.
Worauf bauen diese Schlafprogramme?
Die Idee dahinter ist im Grunde keine schlechte. Wir Menschen haben mehrmals pro Nacht Leichtschlafphasen, in denen wir überprüfen, ob sich gegenüber dem Zeitpunkt unseres Einschlafens nichts geändert hat. Das ist eine evolutionäre Sicherheitsmaßnahme, es könnte ja in der Zwischenzeit das Lagerfeuer außer Kontrolle geraten sein oder ein Säbelzahntiger in die Höhle eingedrungen sein. Bemerken wir eine Veränderung, sind wir in der Sekunde hellwach.
In diesem Sinn macht es Sinn beim Einschlafen die gleiche Umgebung zu schaffen, wie das Baby sie beim Munterwerden in der Nacht vorfindet. Nur so als kleiner Gedankenanstoß: Was passiert wohl in der Nacht, wenn das Baby schreiend einschläft?
Die Problematik bei diesen Programmen ist aber, dass sie sich ausschließlich um das Verhalten des Baby drehen – ob und welche Bedürfnisse, das Baby beim Einschlafen hat, wird vollkommen außer Acht gelassen.
Und nicht zu vergessen, die Programme bauen auf die Notlage der Eltern. Schlafentzug ist nicht umsonst eine Foltermethode. Wer schon länger nicht mehr ordentlich schlafen konnte, ist bereit alles dafür zu tun (und mitunter auch sinnlos Geld für absolut sicher wirkende Schritt-für-Schritt-Schlafanleitungen auszugeben!) Man gibt schließlich die Hoffnung nicht auf, dass doch endlich mal ein Schlafguru die Lösung, die für alle gilt, gefunden hat …
Was Schlafprogramme aber beim Kind bewirken?
Hast du schon mal überlegt, was du selbst brauchst, um gut einschlafen zu können? Kannst du einschlafen, wenn dir im Bett plötzlich einfällt, das die Wohnungstür nicht zugesperrt ist?
Ich vermute nicht!
Dass wir uns sicher fühlen, ist ein Grundbedürfnis, um einschlafen zu können. Im Schlaf geben wir ja die Kontrolle über unsere Umgebung vollkommen ab, Schlafen ist so gesehen etwas per se Gefährliches. Also schlafen wir am besten in sicherer Umgebung.
Was bedeutet jetzt für ein Baby eine sichere Umgebung?
Simpel und ergreifend– die Nähe einer erwachsenen Bezugsperson.
Woran erkennt das Baby, dass eine erwachsene Bezugsperson in der Nähe ist? An der Körperwärme, am Hautkontakt, am Geruch. Nicht an der logischen Erklärung, dass es heutzutage keine Säbelzahntiger mehr gibt und die Fenster ja ohnehin dreifach sicherheitsverglast sind.
Wärme, Geruch, Kontakt - das alles fehlt, wenn die Eltern beim Einschlafen das Zimmer verlassen. In vielen Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte war es für ein Baby das sichere Todesurteil, alleine schlafen zu müssen. Als leckere Beute für herumschleichende Raubtiere, und viel zu kalt um die Nacht zu überstehen.
Wenn das Baby jetzt weint und schreit, ist es nur logisch, dass es Hilfe herbeiruft. Und ja – in der Tat hört das Baby irgendwann auf zu schreien, wenn die Hilfe nicht verlässlich kommt. Es hört allerdings nicht auf, weil es drauf kommt, dass es doch in Sicherheit ist. Sondern weil es resigniert!
Weil es nicht sinnvoll ist, weiter zu schreien, wenn keine Hilfe kommt. Dann könnte das Schreien ja doch noch potentiell Raubtiere anlocken, besser also nicht weiter auf sich aufmerksam machen.
Weil Schlafen eben mehr Entwicklung ist als Erziehung
Tatsächlich hat das Schlafen viel mehr mit der natürlichen Entwicklung zu tun als mit der elterlichen Erziehung.
Es gibt einfach geborene Schläfer und solche, die sich schwer damit tun. Manche Kinder nehmen leicht vom Tag Abschied und schlafen fast schon, wenn das Ohr den Kopfpolster berührt. Andere brauchen dazu länger und viel elterliche Begleitung.
In meinen vielen Jahren in Mama-Baby-Gruppen mit sicher mehr als 2000 Müttern gibt es nichts, was ich nicht schon gehört hab:
- Babys, die ausschließlich auf Mamas Bauch schlafen
- Babys, die nur alleine im eigenen Zimmer schlafen
- Babys, die bei jeder Lautstärke und überall schlafen
- Babys, die nur bei absoluter Stille schlafen können
- Babys, die schon mit zwei Monaten 10 Stunden durchschlafen
- Babys, die noch nicht einmal am ersten Geburtstag an so etwas wie durchschlafen in Betracht ziehen
- ….
Wie der Mensch schläft ist sooo individuell!
Eine große Rolle spielt natürlich auch die elterliche Erwartung. In unserer Kultur gilt das Alleine-Schlafen als wesentliches Erziehungsziel und der Glauben, dass Babys mit sechs Monaten das könnten, ist weitverbreitet. Hält sich das Baby nicht daran, zweifeln die Eltern an sich selbst.
In Kulturen außerhalb Mitteleuropas und Nordamerikas, wird das selbstständige Ein- und Durchschlafen erst um das fünfte Lebensjahr erwartet. Ich bin ziemlich sicher, dass die Eltern dort zwar auch ein gewisses Schlafdefizit haben, aber wesentlich entspannter damit umgehen können.
Fazit:
Eltern überschätzen meist ihren Einfluss auf das Schlafverhalten ihrer Kinder.
Es ist völlig normal, dass Babys und Kleinkinder nicht allein einschlafen wollen und können und mehrmals pro Nacht munter werden!
Jede Variante von „Wer-Wann-Wo-Wie-bei Wem-schläft“, die dazu führt, dass in der Früh alle Familienmitglieder einigermaßen ausgeschlafen sind, ist ok und braucht keine „Reparaturen“ oder Verbesserungen …
Und besser - Finger weg von Schlafprogrammen und allen Versprechungen, die in Sachen Schlaf „sicher“ wirken!
In meinem E-Book „Schläft es schon durch?“ gibt es deshalb auch weder ein Programm oder eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, sondern nur wesentliche Informationen rund um Babys Schlaf.
Mein Ziel ist es darin aufzuzeigen, worauf Eltern beim Schlafen Einfluss haben und wobei sie einfach die Entwicklung des Kindes abwarten müssen. Das mag vielleicht für viele enttäuschend sein, dass es bei mir keine Anleitung mit Garantie gibt – für mich ist es einfach ehrlich!
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Ich finde den Artikel spitze und er bringt mein Gefühl als junge Mama auf den Punkt.
Vielen herzlichen Dank!
Barbara