Wie verändert ein Kind die Paarbeziehung der Eltern?
Was passiert mit Deiner Paarbeziehung, nachdem das erste Kind geboren wurde?
Bleibt kein Stein auf dem anderen?
Schlagen Kinder wie eine Bombe in die Beziehung ein?
Oder ist es so, dass Kinder das größte Glück für ein Paar sind?
Was ist, wenn beides wahr ist?
In diesem Blog-Beitrag stellt Beziehungsexperte Sebastian Bred die Herausforderungen dar, die das erste Kind für eine Beziehung darstellt. Der Inhalt setzt sich zusammen aus
- meinen Erfahrungen als Mediator bei Trennungen und Scheidungen
- internationalen Studien
- den Vorträgen, die ich zum Thema „Veränderungen in der Partnerschaft, wenn das erste Kind kommt“ halte
- meinen eigenen Erfahrungen als Vater eines kleinen Jungen
Was sich mit dem ersten Kind in der Beziehung verändert?
Wie komme ich auf die Assoziation, dass das erste Kind wie eine Bombe in die Beziehung einschlägt? Einerseits aus der eigenen Erfahrung als Vater. Ich habe selbst erlebt, wie es ist wenn aus einem Paar Eltern werden. Es ist wunderschön und eine große Herausforderung. Nichts im Leben hatte mir bis dahin bedeutet, was es heißt für ein anderes Lebewesen verantwortlich zu sein. Noch nie habe ich Glück und Überforderung so nah beieinander gespürt.
Der zweite Grund, warum ich denke, dass es wichtig ist über dieses Thema zu schreiben, hat mit meiner Erfahrung als Mediator im Trennungs- und Scheidungsbereich zu tun. Seit Jahren beobachte ich wie bei Paaren mit dem ersten Kind langsam aber sicher deren Kommunikation zusammenbricht.
Während aus einem Paar Eltern werden, geht leider oft mit der Zeit die Paarbeziehung verloren. Die Bedürfnisse des Kindes stehen so stark und eindeutig im Vordergrund, dass wir oft vergessen die Beziehung zu pflegen.
Als Mediator arbeite ich dann mit den Paaren an deren zusammengebrochenen Kommunikation. Dabei ist immer wieder erstaunlich wie tief Verletzungen im Alltag gehen und wie schwierig es sein kann Themen der Elternschaft nicht in die Partnerschaft reinzutragen.
Was passiert eigentlich genau in Beziehungen, wenn zur Paarrolle die Elternrolle dazu kommt? Schauen wir uns mal die unterschiedlichen Phasen des Neu-Eltern-Daseins an.
Phase 1: Die Vorfreude-Phase
Juhuu!!
Es hat geklappt. Wir sind schwanger. Wir freuen uns auf das Putzi. Bereiten frenetisch alles vor. Streicheln den Bauch. Bespielen das Kind mit klassischer Musik. Malen das Kinderzimmer aus. Gehen Hand in Hand in die Schwangerschaftsvorbereitung.
Es ist eine Hochblüte-Phase der Beziehung. Nicht zuletzt weil diese oft an eine Hochzeit anschließt. Verschiedene Glücks- und Zufriedenheits-Studien zeigen wie wir zwischen Hochzeit und Geburt des ersten Kindes den höchsten Level der Beziehungs-Zufriedenheit erreichen.
Ab dann geht es abwärts. Auch wenn ich das weiß, ist es schwierig sich darauf vorzubereiten, da ich nicht wissen kann was sich in der nächsten Phase wie ändern wird. Ich muss es einfach auf mich zukommen lassen. Dennoch gibt es einige sinnvolle Vorbereitungs-Maßnahmen, die einem helfen können die Umstellungsphase von Paar auf Elternpaar zu meistern. Eine der Maßnahmen besteht in der konsequenten Einführung bzw. Fortsetzung von Ritualen. Darüber werde ich später mehr erzählen.
Phase 2: Die Bombe schlägt ein
Endlich ist es soweit. Das Kind ist da. Alle sind glücklich, wenn auch geschafft. Das Kind ist gesund. Wir freuen uns wahnsinnig darüber, dass alles gut gegangen ist. Abgesehen von postnatalen Depressionen bei Frauen und Männern beginnt jetzt die Phase des Coconing. Für die Beziehung immer noch eine Kuschel- und Wohlfühlzeit. Wenn da nicht schon die Schlange im Paradies lauert, die langsam aber sicher beginnt dem Mann den Heldenstatus streitig zu machen.
Es sind – wie so oft – die Kleinigkeiten mit denen es beginnt. Wenn das Kind beim Windelwechseln durch den Vater schreit und die Mutter es nicht aushält und mit den Worten „Komm lass mich“ ein Stück Wertschätzung und Achtung dem Partner gegenüber liegen lässt. Das dies oft übermüdet geschieht, ist klar. Schlafentzug ist nicht umsonst ein Folterinstrument. Nach einigen Wochen und Monaten zeigen sich die ersten Risse in der eigenen Contenance.
Doch das Umfeld ist leider immer noch der Meinung, dass Kinder glücklich machen. Übrigens eine Lüge, die das Überleben der Gesellschaft sichert... Zumindest kurzfristig gesehen, da Kinder eine langfristige Investition in das Glück darstellen.
Phase 3: Ein Jahr später - Der erste Reality-Check
Aus Sicht der Männer ist es „nur eine Phase“. Sie wird schon wieder, wenn die Hormone sich wieder eingerenkt haben. Aus Sicht der Frauen wundern sie sich oft warum er nicht die gleiche Liebe zeigen kann und warum es so schwer ist die eigene Hilflosigkeit auszudrücken?
Zeit für die Beziehung gibt es wenig bis keine. Nicht zuletzt, weil das Kind oft 100% von der Mutter als Nahrungsquelle abhängig ist. Aber auch weil die Frau / die Partnerin – je nachdem wie sie die Mutterrolle auslegt – mehr oder weniger verschwunden ist. Zumindest in den Augen des Mannes. Denn entweder kann sie ihr Kind gar nicht bzw. nur sehr schwer einer anderen Person – dem Mann inklusive – „übergeben“. Andererseits ist sie überwältigt von der Intensität der Beziehung zu einem Menschen, den sie geboren hat. Somit wird aus einer 3er-Familie für einige Zeit eine 2+1 Konstellation.
Und darin liegt in der Anfangsphase die Sprengkraft für die Mann-Frau-Beziehung. Zum Schlafentzug kommen Kommunikationsschwierigkeiten, weniger Nähe, weniger Intimität und auf Dauer weniger Sex. Auch wenn Sex nicht das Wichtigste für das Bestehen des Beziehungs-Stresstests ist, so zeigt sich damit wie nah oder fern Mann und Frau einander sind.
Phase 4: Die 50:50 Enttäuschung
In meinen Vorträgen frage ich Paare gerne was sich seit dem 1. Kind in der Beziehung geändert hat?
Die Antworten lassen sich subsumieren unter das Wort „WENIGER“:
- weniger Schlaf
- weniger gemeinsame Zeit
- weniger Zeit für sich selbst.
Doch das war alles vorher klar. Was ist neu / anders frage ich dann? Die Enttäuschung darüber, dass der Partner nicht da ist, einen nicht versteht, unterstützt, die Zeit als Familie nicht gleich schätzt. Vor dem ersten Kind teilte sich das Paar oft die Hausarbeit und Mann/Frau unternahmen gemeinsam Dinge. Nach der Geburt hat sich das Gleichgewicht langsam verschoben.
Statt 50:50 gilt im Haushalt 90:10. Der Mann findet wenig Zeit und Möglichkeit um einzuspringen, bzw. die gewünschte Entlastung bleibt aus. Woran das liegt? Sehr oft liegen die Ursachen in der Anfangsphase. Jedes Mal, wenn die kleinen Aufgaben des Alltags nur von einem Elternteil erledigt werden, verliert der Partner Stück um Stück die Fähigkeit diese Aufgaben zu übernehmen. Sichtbar wird dies in Notsituationen wie bei Krankheit oder Krisen (z.B. Arbeitslosigkeit).
Denn dann fehlen dem Partner das Wissen und die Übung schnell und effektiv handeln zu können. Wenn nur einer weiß wo Medizin, Sachen zum Anziehen, das richtige Gläschen fürs Essen etc. etc. ist, sind die kleinen Herausforderungen des Alltags viel schwer zu bewältigen.
Warum fällt es Frauen oft so schwer die Partner mit an Bord zu holen? Oder warum tun Männer sich so schwer einfach zuzugreifen und mitzuhelfen bzw. Wertschätzung und Achtung auszudrücken?
Bei den Frauen beobachte ich als Ursache die Perfektionismusfalle. Bei den Männern ist es oft eine tiefe Verunsicherung, wenn die Frauen die zu Hause sind eben alles besser können und ihnen oft – gutgemeint – die Aufgaben abnehmen. Nicht zuletzt um sie zu schonen. Weil sie ja arbeiten gehen und die Familie versorgen. Hier geht der partnerschaftliche Fokus auf die gemeinsam zu bewältigende Aufgabe oft langsam aber sicher verloren. Das berühmte „wir haben uns auseinander gelebt“ beginnt Raum zu bekommen.
Wann zeigen sich die ersten ernsthaften Risse in der Beziehung?
Wenn das Paar immer weniger Körperkontakt miteinander hat. Und damit meine ich Sex erst in letzter Konsequenz. Vielmehr geht es um Händchenhalten, Umarmung, Küsse und gegenseitiges Interesse. Denn durch Alltagshandlungen entstehen Nähe und Intimität – 2 wichtige Voraussetzungen für Sex – und viel wichtiger für das Beziehungsglück.
Also was tun, wenn schon Sand im Getriebe ist?
Ich empfehle Paaren gerne mit den kleinen Sachen anzufangen. Auf der Elternebene geht es darum die Verantwortung für die Dinge des Alltags, die die Themen Haushalt, Kinder und Sozialleben betreffen neu zu verteilen. Ein Rollentausch im Alltag ist eine weitere Option. Dies sollte in kleinen Portionen geschehen.
Wenn z.B. der Rucksack mit den Sachen für den Ausflug immer von der Frau gepackt wurde, ist es an der Zeit dies am Wochenende in die männliche Verantwortungssphäre zu übergeben. Ein anderes Beispiel ist das Anziehen des Kindes in der Früh, zu Bett bringen am Abend. Wichtig ist hier, dass es eine gemeinsame Entscheidung ist hier etwas neu / anders zu machen.
Auf der Beziehungsebene gilt es Freiräume für die gemeinsame Beziehung zu schaffen. Meistens funktioniert dies dadurch, dass einer sich um die organisatorische Seite (z.B. Kinderbetreuung) kümmert, während die andere Seite sich um die inhaltliche Gestaltung der gemeinsamen Beziehungszeit kümmert. Überraschungen sind erlaubt.
Einige Tipps, was gut funktioniert, wichtig ist und einfach umsetzbar ist:
· Spazieren gehen: Geht miteinander spazieren. Einzige „Regel“ ist es Händchen zu halten und möglichst wenig miteinander zu sprechen. Dadurch entstehen neue gemeinsame Erlebnisse und Nähe.
· 1 Nacht pro Woche: Schwiegereltern oder Eltern übernehmen das Kind 1 Nacht pro Woche. Bestenfalls immer die gleiche Nacht, damit ein regelmäßiger Rhythmus für alle entsteht. Der Vorteil ist, dass ihr damit ein zusätzliches Standbein aufbaut bzw. stärkt.
· Kleine Geschenke der Liebe: Wertschätzung ist das Schmieröl der Beziehung im Alltag. Macht kleine Geschenke, Komplimente, bedankt euch für die Dinge die euch vorher selbstverständlich erschienen sind. Das gibt der Beziehung Auftrieb und zaubert ein Lächeln in eure Gesichter. Garantiert.
· Kleine Rituale: Kleine und sehr feine Rituale im Beziehungs-Alltag sind der 6-Sekunden-Kuss und Umarmungen. Beides könnt ihr in der Früh und am Abend einfach und effektiv einbauen. Jede Sekunde des gemeinsamen Innehaltens schafft Nähe und Intimität und baut wieder Brücken zurück zur Paarbeziehung.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Sebastian Bred ist eingetragener Mediator und spezialisiert auf die Kommunikation zwischen Mann und Frau. Er ist auch Erfinder des Beziehungskoffers und der Spiele-Box für Paare
Seit vielen Jahren schreibt Sebastian als Beziehungs-Ratgeber einen regelmäßigen Blog.
Der Beziehungs-Ratgeber richtet sich an Paare, die sich für aktuelle Studien und Forschung zum Thema Paarbeziehung, Beziehungspflege und Kommunikation zwischen Mann und Frau interessieren.
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