11 Strategien, die nicht nur Müttern von hochsensiblen Kindern helfen

Hochsensibel - was ist das?

„Mein Kind war schon immer anders als alle anderen!“

Fast entschuldigend wird dieser Satz oft vorangestellt, wenn Mütter mir eine Frage stellen. Als ob sie schuld wären, dass ihr Kind anders ist!

Manche Kinder sind in dem Sinne anders, dass sie Sinneseindrücke (also Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) intensiver spüren und es für sie viel anstrengender ist, diese Eindrücke zu verarbeiten.

Dr. Elaine N. Aron nennt solche Kinder hochsensible Kinder. Ihr Buch dazu ist übrigens Das hochsensible Kind: Wie Sie auf die besonderen Schwächen und Bedürfnisse Ihres Kindes eingehen*

Wesentlich ist, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist, sondern ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal.

Also nichts, dass man heilen müsste oder weg erziehen könnte. So wie lockige Haare – ok, die kann man vielleicht glätten, aber das ändert nichts an der angeborenen Haarstruktur …

Um eine solche Hochsensibilität festzustellen, gibt es Tests. Dazu werden eine Reihe an Fragen mit Ja oder Nein beantwortet und wenn eine bestimmte Anzahl an Ja-Antworten überstiegen wird, spricht man von Hochsensibiltät.
Hier findest du einen solchen Test vom Institut Aurum Cordis/Kompetenzzentrum für Hochsensibiliät.

So sehr ich diese starke Empfindsamkeit gut nachempfinden kann und überzeugt bin, dass es dieses Persönlichkeitsmerkmal gibt (ich empfehle gerne ALLEN Eltern das Buch von Dr. Aron zu lesen!) – sehe ich trotzdem mitunter ein Problem darin, wenn Eltern in Versuchung kommen ihren Kindern ein „Etikett“ zu verpassen.

Auch wenn es in dem Fall ein recht positives Etikett ist – geht doch die Hochsensibilität oft Hand in Hand mit hoher Intelligenz und wer möchte nicht gerne ein intelligentes Kind?

Trotzdem: ein solches Etikett ist eine Bewertung und legt fest.

Wie schnell wir solche Etiketten auch von anderen übernehmen, zeigt eine Übung, die ich gerne in meinen Workshops und Seminaren mache.

Ich bitte die Teilnehmerinnen die Augen zu schließen und um die Erlaubnis sie in Folge kurz an der Stirn zu berühren. Bei dieser Berührung bekommt jede einen kleinen bunten Klebepunkt auf die Stirn. Nachdem alle die Augen öffnen, bitte ich die Anwesenden sich in Gruppen zusammen zu finden.

Was passiert?

Die Teilnehmerinnen orientieren sich an den Farben ihrer Klebepunkte und finden sich in diesen nach den Farben geordneten Kleingruppen zusammen.

Obwohl das überhaupt nicht gefordert war!

Die Anforderung war nur „sich in Gruppen zusammen zu finden“ und die Klebepunkte waren bis dahin überhaupt nicht erwähnt worden – es hätte auch die Sympathie für die Gruppenbildung ausschlaggebend sein können, der gleiche Anreiseweg, die Augenfarbe oder meinetwegen auch das Muster der Socken.

Aber all das gerät in den Hintergrund ob des zuletzt verteilten Etiketts – in diesem Fall in Form eines bunten Klebepunktes.

Genauso geht es uns auch im Leben – wir übernehmen solche Etiketten und Zuschreibungen. Manche vergeben wir uns selber „Ich war schon immer gut/schlecht in ….“

So manches Etikett wird uns von anderen übergestülpt (kaum erwartest du ein Kind, bist du plötzlich keine Mitarbeiterin mit Namen mehr sondern die Schwangere aus der Verkaufsabteilung …) ob wir es nun wollen oder nicht, es ist plötzlich da.

Es ist ok, wenn dir die „Klassifizierung Hochsensibel“ hilft, im Alltag mit deinem Kind entspannter zu sein, weil du gewisse Verhaltensweisen, Herausforderungen und Problemstellungen besser verstehst.

Denn: oft können wir mit Dingen besser umgehen, sobald wir einen Namen dafür haben!

Pass aber auf, dass du das Kind nicht in eine Schublade steckst und dann auf ewig alle Verhaltensweisen nur noch durch die „Na ja, ist halt hochsensibel“-Brille siehst und bewertest.

Wir sind und bleiben alle höchst individuelle Individuen in einer Gesellschaft, in der wir gemeinsam leben – und daraus ergeben sich nun mal auch ab und an Spannungen und Konflikte (auch in uns selbst!), an denen wir wachsen können.

Ganz wunderbar zu diesem Thema finde ich hier die Kolumne auf dem Zwillingsblog Einer schreit immer Scheiss auf Highneed – warum Kinder keine Diagnosen sind
Deshalb gelten die folgenden Tipps aus dem Buch nicht nur für hochsensible Kinder, sondern sind auch für alle anderen Kinder und Mamas – mit all ihren Stärken, Schwächen und Individualitäten - gedacht!

11 Alltagsstrategien, die nicht nur hochsensiblen Kindern guttun

1. Das Kind sein lassen, wie es ist

Erziehung heißt nicht, dass wir an unseren Kindern herumschrauben sollen, bis sie richtig sind. Sie sind wie sie sind – und das ist gut so!

2. Bringe Geduld mit

Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo und sein eigenes Zeitgefühl. Geduld aufzubringen ist oft recht schwierig, schließlich haben wir auf unserer mütterlichen To-do-Liste ja ordentlich viel stehen. Klingt sehr leicht, ist aber nicht leicht beim Umsetzen. Schade, dass es Geduld nicht im Supermarkt in der extragroßen Familienpackung gibt …

Geduld mit Kindern haben

3. Gib deinem Kind Worte für seine Gefühle

Gefühle sind immer auch etwas Körperliches – uns wird heiß, wenn wir wütend sind, Dinge, die uns belasten, liegen uns im Magen oder wir könnten hüpfen vor Freude. Sobald das Kind ein Wort kennt für das „Gewurl“ in seinem Inneren, kommt es besser damit zurecht.

4. Finde Rituale für und mit deinem Kind

Vorhersehbare Abläufe und ein strukturierter Alltag geben Sicherheit und nehmen damit Stress – lies hier mehr dazu in Rituale und warum sie für Kinder so wichtig sind. Dazu gehören auch regelmäßige Mahlzeiten. Wer kennt das nicht, dass man bei Hunger schnell unleidlich wird?

5. Verstehe kindlichen Frust bei unerwarteten Situationen

Das Leben hält aber natürlich auch jede Menge Überraschungen für uns bereit und nicht jede löst Freude aus. Je kleiner das Kind, umso weniger kann es mit Planänderungen umgehen. Lass dem Kind Zeit und Möglichkeit, seine Enttäuschung auszudrücken!

6. Sorge für eine gesunde Balance zwischen Fördern und Fordern

Nimm deinem Kind nicht alles ab, es kann eine tolle Bestätigung sein, etwas Schwieriges ganz alleine zu schaffen – lass es aber auch nicht alleine mit zu hohen Anforderungen, dieser Punkt braucht ganz viel Fingerspitzengefühl deinerseits!

7. Selbstfürsorge betreiben

Wo sind deine „Tankstellen“, an denen du deine Kraftreserven auffüllst? Nur wenn es dir gutgeht, kannst du auch dein Kind gut versorgen – hier findest du 3 schnelle und kostenlose Möglichkeiten – auch deshalb wichtig, weil du damit Vorbild für dein Kind bist!

8. Gib deinem Kind ausreichend Zeit bei Entscheidungen

Sich für etwas zu entscheiden heißt auch immer gleichzeitig sich gegen etwas zu entscheiden! Wenn du deinem Kind Entscheidungen überlässt, achte darauf, dass es im „Vollbesitz seiner Kräfte“ ist. Für ein müdes oder hungriges Kind sind Entscheidungen doppelt so schwer!

9. Abgrenzen und Nein-Sagen-dürfen

Auch Mamas dürfen sich abgrenzen und mal NEIN-Sagen – auch zum Kind! Und umgekehrt dürfen auch Kinder NEIN sagen, wenn etwas für sie gar nicht geht – lies hier warum das so wichtig ist: Wann ist ein NEIN ein NEIN?

10. Momente der Achtsamkeit finden

Kinder leben im Hier und Jetzt, damit können sie ein wunderbares Vorbild für uns sein, wenn wir das wahrnehmen können – schöne Entspannungs- und Achtsamkeitsrituale (mit Kindern!) findest du im Buch 3-Minuten-Entspannung*

11. Das Leben entschleunigen

Weg mit unnötigen Terminen und Aufgaben! Überlege, was wirklich wichtig ist und was nicht – und ab und an etwas digitales Detox und nicht erreichbar sein. Wirkt Wunder!

Zum Schluss möchte ich nun noch eine kleine Schleife zurück zum Anfang machen – genauer gesagt zur Aussage: „Mein Kind war schon immer anders als alle anderen!“

Entspannt euch, ihr Mamas da draußen – jedes Kind ist anders als die anderen!

„Alle diese anderen Kinder, die alle gleich sind“ gibt es nämlich nicht wirklich, sondern nur in unserer Vorstellung.
Jede Mama hat ihr ganz ureigenes individuelles Kind, das anders ist als alle anderen!
Freuen wir uns lieber über die Individualität unserer Kinder und dass jedes von ihnen uns als Mama lernen lässt, wie wir sie am besten ins Leben begleiten können.

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Sandra von Spoo-Design am 18.06.2022 um 10:09

    Die Gedanken mit der „Etikettierung“ finde ich sehr richtig. Hochsensibilität ist real und ein spannendes Thema, aber irgendwie gerät es schon etwas länger auch gern „in Mode“ und dann ist das nicht mehr gut.

    Zumal die ganzen online-Tests so überzeugend am Ende wirklich nicht sind.

    In Wahrheit brauchen Hochsensible – egal ob Kind oder erwachsen – auch keine besondere Behandlung. Sind sind „nur“ empfindlicher, wenn wir einander nicht so behandeln, wie Menschen es eigentlich *immer tun sollten*.

    Spannenderweise scheint es dieses Phänomen auch bei Tieren zu geben. (-:

    • Veröffentlicht von Vera am 19.06.2022 um 17:05

      Interessant, das war mir nicht bewusst, dass es das auch im Tierreich gibt – aber auch da gibt es wohl viel mehr Individualität, als wir gemeinhin denken!

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