Die 6-Jahres-Krise
Dein Kind ist gerade auf dem Weg zum Vorschulkind und Schulkind und du erlebst es in einer schwierigen Phase.
Dein Kind ist 6 Jahre alt und hat plötzlich eine schwierige Phase. Es entwickelt eine enorme Launenhaftigkeit, die du so nicht von ihm kanntest, oft ist es auch weinerlich. Andererseits reagiert es manchmal ordentlich frech, hört nicht und provoziert? Alles Dinge, die du eigentlich erst in der Pubertät erwartet hättest?
Dann sei herzlich willkommen in der 6-Jahres-Krise!
In diesem Artikel erfährst du:
- Was es mit dieser schwierigen Phase auf sich hat
- Welche Entwicklungsschritte dein Kind jetzt durchmacht
- Schule, Taschengeld, Handy - was jetzt neu auch für dich als Mama dazukommt
Was bedeutet 6-Jahres-Krise?
Der Begriff ist noch recht neu in der Pädagogik, es findet sich erst wenig Literatur dazu.
Früher – vor etwas mehr als 100 Jahren - sprach man nur von zwei krisenhaften Zeiten in der Entwicklung, nämlich die Trotzalter und die Pubertät. Und zweitere nannte man noch einige Zeit „große Trotzphase“.
In der Pädagogik kennt man mittlerweile noch zwei weitere Begriffe für krisenhafte Lebensabschnitte, die 6-Jahres-Krise (5.-7. Lebensjahr) und die Vorpubertät (8.-10. Lebensjahr).
Du merkst schon – wir wandern von einer Krise in die nächste ....
All diese Entwicklungsphasen sind durch große Veränderungen gekennzeichnet und mit Veränderungen gehen oft auch Konflikte einher. Meiner Meinung nach handelt es sich weniger um einzelne Phasen und Krisen, sondern vielmehr um einen langfristigen Ablösungsprozess des Kindes von den Eltern, währenddessen es einfach schwierigere und leichtere Zeiten gibt.
Uns als Mama kann so eine Krisenbenennung allerdings helfen, leichter mit diesen neu aufkommenden Schwierigkeiten umzugehen. Alles, wofür wir einen Namen haben, was wir benennen können, lässt sich scheinbar einfacher bewältigen.
Wie war es für dich, als dein Neugeborenes geweint hat?
Wenn du sagen konntest „Das ist jetzt bestimmt Hunger/eine nasse Windel/Bauchweh!“ war es nicht mehr ganz so schlimm, das Weinen auszuhalten, weil es einen Grund dafür gab. Auch, wenn in Wahrheit vielleicht etwas anderes für das Unwohlsein verantwortlich war.
Weinen oder Verhalten, für das man den Grund nicht erkennen und benennen kann, ist ganz schlimm für uns, weil es so viel hilfloser macht!
Ursachen für die 6-Jahres-Krise
Äußerlich deutlich sichtbar sind einige körperliche Veränderungen.
Das Kindchen-Schema im Gesicht verliert sich, die Gestalt streckt sich - Arme und Beine schlenkern plötzlich ungelenk am Körper herum, weil sie schnell gewachsen sind und sich ungewohnt lange anfühlen.
Erinnere dich mal an deine Schwangerschaft? Die Körperwahrnehmung war eine völlig andere, der Schwerpunkt hat sich geändert, man neigt zum Stolpern und stößt sich an allen möglichen Ecken und Kanten – so ungefähr mag es jetzt deinem Kind gehen.
Gleichzeitig beginnen die ersten Zähne auszufallen, was manche Kinder regelrecht Angst macht – sie haben den Eindruck, sie selbst würden auseinanderfallen.
Entwicklungspsychologisch ist jetzt die Zeit der Vernichtungsängste bis hin zu Todesängsten gekommen.
Kinder leben stärker in der Realität, weniger in ihrer Fantasie und so fürchten sie sich auch weniger vor Monstern und Hexen, sondern vor Dingen, die sie vielleicht in der Umgebung (Krankheit, Tod) oder auch über die Medien (Unfälle, Naturkatastrophen) mitbekommen – wie du gut mit Ängsten umgehst, erfährst du in meinem Online-Workshop über Kinderängste!
Diese körperlichen Veränderungen senden nun auch ganz andere Signale an die Mitmenschen aus. Ansprüche und Erwartungen der Umgebung steigen. „Schließlich gehst Du ja bald zur Schule!“
Spätestens jetzt macht das Kind Bekanntschaft mit der Leistungsgesellschaft.
Es weiß, es muss den gut bekannten Kindergarten und vielleicht auch einige Freunde bald verlassen. Immer wieder hört es von dieser Schule, von der es meist keine Vorstellung hat oder im schlimmeren Fall eine negative („Warte erst, bis Du in der Schule bist ...“).
Wenn irgend geht, lass bitte auch den Satz „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens!“ außen vor.
Im Kindergarten war das Kind schon unter den „Großen“, jetzt heißt es in der Hierarchie wieder ganz hinten anstellen und bei den Kleinsten beginnen.
Das Kind muss jetzt also ein neues Selbstbild entwickeln, all diese Veränderungen, die uns Erwachsenen vielleicht gar nicht so auffallen, integrieren.
Auch wenn das einzig Konstante im Leben Veränderung ist, geht damit oft Unsicherheit einher und natürlich machen Veränderungen auch mal Angst.
Geht ja den Erwachsenen genauso!
So gesehen ist es wirklich kein Wunder, wenn unsere Kinder auf einmal unsicher und/oder launenhaft sind und wieder mehr Verständnis, Zuwendung und Nähe brauchen!
Reif für die Schule?
Die Schulreifefeststellung hat nichts mit einem Intelligenztest zu tun, es muss auch nicht extra dafür geübt werden! Schulreife ist vielmehr ein Bündel an Kriterien und Fähigkeiten.
Natürlich gibt es eine kognitive Komponente. Es wird geschaut, ob das Kind einige Zeit bei einer Aufgabe konzentriert verweilen kann, ob es flüssig spricht und wie gut und aufmerksam es beobachten kann.
Ganz wesentlich sind aber die emotionalen und sozialen Faktoren.
- Fühlt sich das Kind persönlich angesprochen, wenn zu einer Gruppe gesprochen wird?
- Fühlt es sich auch außerhalb der Familie ausreichend sicher, so dass es entspannt von neuen Bezugspersonen lernen kann?
- Kann es konkrete Aufträge erledigen und einmal auch bei einer Sache bleiben, die grad nicht so hochgradig interessant ist?
- Weiß es, was ihm gehört und respektiert es den Besitz anderer?
Wenn du unsicher ob der Schulreife deines Kindes bist, sprich am besten mit der Kindergartenpädagogin, sie kennt das Kind außerhalb der Familie am besten und hat sicher eine gute Einschätzung.
Lieber früher mit der Schule starten oder später?
Bei uns in Österreich gelten Kinder, die vor dem 1.September des Jahres Geburtstag haben als schulreif (und schulpflichtig!), alle mit Geburtsdatum danach können noch ein Jahr zu warten.
Aber gerade bei September- oder Oktoberkindern stellt sich oft die Frage der früheren Einschulung. Viele Argumente sprechen dafür (kein Jahr verlieren), viele dagegen (lassen wir das Kind doch Kind sein!).
Grundsätzlich bin ich eher die Freundin einer späteren Einschulung, entscheiden kann man das aber immer nur sehr individuell.
Meine Zweitgeborene, ein Oktober-Kind, wollte unbedingt schon früher in die Schule, weil dort schon die große Schwester war.
Kindergartenpädagogin und Schule befanden sie für schulreif, also habe ich der früheren Einschulung skeptisch zugestimmt. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, wir können ja das erste Jahr immer noch als Vorschuljahr nehmen oder sie dreht halt in der Volksschule eine Ehrenrunde …
Mittlerweile ist sie in der Oberstufe und es gab bis dato kein einziges schulisches Problem.
Deshalb: hier auf keine Allgemeinplätze hören, sondern nur aufs Kind schauen!
Ein guter Start in die Schule - was kannst du dazu beitragen?
Die Auswahl der Volksschule bereitet vielen Eltern vor allem im städtischen Gebiet viele Gedanken und Sorgen.
Eine große Rolle spielt der sichere Schulweg – es gehört übrigens zur Schulreife, dass das Kind den Schulweg allein bewältigen kann, theoretisch jedenfalls – sowie die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der angebotenen Nachmittagsbetreuung.
Kinder lieben es die Schultasche aussuchen zu dürfen. Eltern sollten dabei Qualitätsmerkmale wie das Gewicht und die praktikable Aufteilung der Fächer im Auge behalten, das Kind ist für das attraktive Aussehen der Schultasche zuständig.
Vorsicht aber bei recht auffälligen Motiven! Eine gute Schultasche ist ziemlich teuer und wer will schon für die zweite Klasse eine neue kaufen müssen, weil die aufgedruckte Comic-Figur aus der Mode geraten ist …
Ein bekanntes Ritual für den ersten Schultag ist die Schultüte – ich finde es schön, sie mit den Kindern selbst zu basteln.
Es gibt fertige Rohlinge im Fachhandel, die nur noch bemalt oder beklebt werden, so wird eine ganz persönliche Schultüte (hier findest du Fotos unserer Schultüten!) daraus – für die Füllung können dann die Eltern selbst sorgen, was den Zuckerschock am ersten Schultag in Grenzen hält.
Und noch eine ganz persönliche Erfahrung: für mich unerwartet groß war der „gefühlte“ Unterschied, dass es plötzlich Schulpflicht heißt.
Die Kinder im Kindergarten gut aufgehoben zu wissen war eine feine Sache, aber wenn mich plötzlich die Lust überkommen hat, weil das Wetter so schön ist in den Zoo zu gehen, war das kein Thema. Diese Flexibilität ist dahin - wenn das Kind krank wird, muss neben all dem organisatorischen Aufwand der Betreuung auch noch der Schulstoff nachgearbeitet werden.
Taschengeld für die ersten, eigenen Wünsche
Der Schulstart ist eine gute Gelegenheit Taschengeld einzuführen, damit können Kinder ersten Umgang mit Geld üben und ihre neue Selbstständigkeit in einem festgesteckten Rahmen auskosten.
Die Höhe spielt gar nicht die große Rolle, vielleicht einmal mit einem Startkapital von 2€ und dann 50 Cent pro Woche beginnen.
Lieber klein anfangen und dann sukzessive erhöhen. Schließlich soll wirtschaften gelernt werden und nicht ausgeben!
Mit dem Taschengeld darf dann aber gekauft werden, was das Kind möchte – höchstwahrscheinlich werden das wohl Süßigkeiten sein
Das Kind lernt dadurch „auf etwas zu sparen“, Prioritäten zu setzen und auch spontane Wünsche von echten Bedürfnissen zu unterscheiden. Es wird wahrscheinlich auch Fehlkäufe tätigen und damit unzufrieden sein, das ist ein Lernprozess, unsere Konsumgesellschaft schafft nun mal Lust und Frust!
Kläre bei der Gelegenheit auch gleich mit deinem Kind, was mit Geldgeschenken von Verwandten passiert – bis zu welchem Betrag dürfen die Euros zum Taschengeld wandern und ab wann geht das Geld in die Sparbüchse?
Wichtig: Taschengeld ist keine Bezahlung für geleistete Arbeit ist und auch kein Erziehungsmittel (= Entzug als Strafe für unliebsames Verhalten androhen)!
Smartphone, Nintendo & Co
Eine Spielkonsole ist ein gängiges Geschenk zum sechsten Geburtstag, viele Volksschüler besitzen ein eigenes Handy – ist das alles notwendig?
Das Handy ist für viele Eltern eine Sicherheitsfrage. Stell dir selbst die Frage, wo genau sind denn die Unsicherheitsfaktoren, was sind meine Befürchtungen?
Muss das Kind einen längeren Schulweg allein, vielleicht sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln, bewältigen? Dann ist ein Handy wahrscheinlich eine gute Idee, damit man sich erreichen kann – und wenn ein paar Spiele drauf sind, erledigt sich auch gleich die Spielkonsole …
Wird das Kind täglich zur Schule begleitet und auch wieder abgeholt, ist das Handy eher noch nicht notwendig.
Für Fernsehen und Computerspiele können jetzt Regeln vereinbart werden. Fünf- bis Siebenjährige sollten nicht mehr als 45 Minuten täglich vor einem Bildschirm verbringen, wobei ich in der Praxis wenig von einer täglichen Zeitvorgabe halte. Kinder halten das ganz schnell für ihren persönlichen Rechtsanspruch: „Ich hab heute noch gar nicht ferngeschaut!“
Ich empfehle eine Wochenbildschirmzeit zu vereinbaren und mit dem Kind zu planen, was es wann sehen bzw. spielen möchte. Das darf dann schon mal einen Tag mehr sein, dafür ist ein anderer bildschirmfrei!
So kann man die Bildschirmzeit auch besser in den familiären Tagesablauf einbauen und vielleicht sogar ein Ritual daraus machen – am Samstagabend ist Heimkinotag, wir schauen uns gemeinsam einen Film an und machen Popcorn dazu.
Ganz pragmatisch, im Winter darf es auch mal mehr sein, wenn im Sommer viel Zeit im Freien verbracht wird und damit die heimischen Bildschirme automatisch in den Hintergrund rücken.
Leseempfehlungen:
Das Wackelzahnbuch*, Iwona Radünz, Thomas Röhner – Coppenrath (Kinderbuch)
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